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Terror - Ferdinand von Schirach

 

 

Hallo ihr lieben Bücherverrückten!

 

 Heute habe ich eine neue Rezension für euch und diese wieder zu einem Buch des Autors Ferdinand von Schirach. Schon bei dem letzten Buch zu „Der Fall Collini“ von Ferdinand von Schirach war ich begeistert, mit welcher Leichtigkeit er es versteht komplexe Thematiken auf simple Art und Weise zu veranschaulichen. Themen, über die wir im Alltag nicht sprechen und nachdenken wollen. An dieser Stelle möchte ich aber noch nicht zu viel verraten, lest selbst. Falls ihr die Rezi zum Fall Collini auch noch lesen möchtet, habe ich sie euch im o.a. Bild verlinkt.

 

Terror ist ein Theaterstück bestehend aus zwei Akten. Gleich zu Beginn des Stücks erfährt der Leser, dass Lars Koch 164 Menschen getötet hat und nun vor der Anklagebank sitzt. Er hat diese Menschen weder mutwillig noch willkürlich getötet. Lars Koch ist Pilot und fliegt einen von zwei Eurofighter, die in Notsituationen eingreifen. 

 

Von Schirach fingiert geschickt die Entführung eines deutschen Airbus durch einen Terroristen. Ziel der Entführung ist es das Flugzeug in das Allianz Stadion in München, gefüllt mit 70 000 Menschen, stürzen zu lassen. Die Eurofighter Piloten sind über die Entführung informiert und treffen innerhalb kürzester Zeit neben dem Flugzeug ein. Als erstes versuchen sie den entführten Airbus abzudrängen, damit er seine Flugbahn nicht mehr halten kann. Da dieses Manöver nicht gelingt, warten die Piloten auf weitere Instruktionen vom Militärstützpunkt. Die übergeordneten Instanzen von Herrn Koch und dem anderen Piloten entscheiden sich dazu, den Abschuss durch den Eurofighter Piloten nicht freizugeben und dem Schicksal ihren Lauf zu lassen.

 

Der Pilot Lars Koch kann nicht fassen, dass sein Befehl lautet das Flugzeug nicht abzuschießen, da tausende Menschen durch den Absturz sterben könnten und fragt einige Male nach, ob er den Funkspruch richtig verstanden habe. In letzter Minute nimmt Herr Koch die Entscheidung selbst in die Hand und schießt das Flugzeug mit den 164 Personen ab und alle sterben. Die 70.000 Menschen im Allianz Stadion überleben das Länderspiel durch seinen Entschluss unbeschadet. Lars Koch sitzt nun als Angeklagter vor der Richterin und muss sich verantworten 164 Menschen getötet zu haben. 

 

Während der Gerichtsverhandlung werden drei Zeugen aufgerufen. Der Nachrichtenübermittler Leutnant Lauterbach, welcher die Nachrichten vom Stützpunkt an den Piloten weitergibt, der Angeklagte Lars K. und die Frau eines Verstorbenen, der im Airbus entführt wurde. Durch die Befragungen wird deutlich, dass die Meinungen über den Abschuss nicht unterschiedlicher sein könnten. Der Nachrichtenübermittler vom Militärstützpunkt sieht den Piloten als eine Art Held an, der im Sinne der Verteidigung des Landes gehandelt hat. Leutnant Lauterbach hat dem Piloten mehrmals über Funk mitgeteilt, dass die Entscheidung getroffen wurde nicht zu schießen. Trotzdem denkt er, dass Lars Koch keine andere Wahl hatte und die richtige Entscheidung traf. Eine derartige Krisensituation wurde am Stützpunkt mehrmals besprochen und durchdacht. 

 

Als nächstes tritt Lars Koch in den Zeugenstand und man erfährt, dass die gesamte Ausbildung zum Eurofighter einen Sinn hatte, nämlich in genau so einer Situation eine rationale Entscheidung zu treffen. Wäre das Flugzeug im Stadion abgestürzt, hätten mit Sicherheit Tausende ihr Leben verloren. Wohingegen durch den Abschuss des Flugzeugs „nur“ 164 Menschen ihr Leben lassen mussten. 

 

Die Verfassung wurde in der Vergangenheit in dem Sinne ausgelegt, dass ein Abschuss eines terroristisch gekidnappten Flugzeugs, nicht Rechtens ist, da ein Aufwiegen von Menschenleben gegen das Recht der Würde des Menschen ist. Die Staatsanwältin bringt hierzu ein gutes Beispiel:

In einem Krankenhaus liegen mehrere Menschen mit Organversagen. Ein weiterer Herr wird mit einem Beinbruch eingeliefert. Tötet man den Herrn könnten alle anderen mit Organversagen gerettet werden, aber wer hat das Recht diese Entscheidung zu treffen? Lars Koch findet den Vergleich nicht gerechtfertigt und argumentiert für eine Beurteilung jeder Situation im Einzelnen. Auf die Frage der Staatsanwältin, ob er das Flugzeug ebenfalls abgeschossen hätte, wenn sich seine Frau und sein Kind darin befunden hätten, kann er keine Antwort geben. Bei der Zahl 164 handelt es sich um Menschen! Jeder dieser Personen wurde geliebt und wird nun schmerzlich vermisst.

 

Weiters spricht von Schirach mit seiner Figur des Piloten Lars Koch an, dass durch den entsprechenden Verfassungspassus und deren Auslegung, den Terroristen Tür und Tor für ein derartiges Attentat geöffnet wird. Die Auslegung der Verfassung beschützt die Menschen nicht in ihrer Würde als Person, sondern ermöglicht es dem Attentäter so viele Menschen wie möglich umzubringen, da laut Recht kein Menschenleben gegen ein anderes aufgewogen werden darf, auch kein Flugzeug das mit 164 Leuten besetzt ist, gegen ein Stadion das 70.000 Menschen umfasst. Der Terrorist muss demnach keine Angst haben, während der Entführung abgeschossen zu werden und könnte sein Ziel erreichen.

 

Als Letzte wird die Frau eines Verstorbenen Flugzeuginsassen aufgerufen. Mit dieser Figur macht von Schirach deutlich, wieviel Schmerz und Kummer hinter dem Verlust eines geliebten Menschen stecken. Für die Dame ist eindeutig klar, dass Lars Koch der Mörder ihres Mannes ist. 

 

Zum Ende hin wird es nochmals spannend, denn nun muss man selbst tätig werden und geltendes Recht auslegen. Von Schirach hat zwei Urteilsverkündungen geschrieben und jedem Leser ist selbst überlassen Lars Koch zu verurteilen oder nicht. Hat er es verdient für die getroffene Entscheidung hinter Gitter zu wandern? Hat er diese Entscheidung aufgrund seiner Ausbildung zum Piloten eines Eurofighter und der dementsprechenden Notsituation getroffen? Hätte er sie ebenfalls getroffen, wenn seine Frau und sein Kind im Flugzeug gesessen hätten? 

 

Zwiegespalten und nachdenklich schlägt man die letzte Seite des Buches zu und möchte sich auf keinen Fall in die Lage des Piloten versetzen. Könntet ihr so eine Entscheidung treffen? Schreibt mir doch gerne in die Kommentare, ob ihr auch Schwierigkeiten mit der Entscheidung habt/hattet. Das Theaterstück habe ich mit Sicherheit schon vor 3 Wochen gelesen und konnte mich noch immer nicht für eine Verurteilung oder eine Begnadigung des Piloten durchringen.

 

Lg & einen wunderschönen (hoffentlich) letzten Arbeitstag für diese Woche! 

Manuela :) 

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Birgit (Mittwoch, 18 September 2019 16:08)

    Sehr schwierig.... aber ich denke, die 164 Menschen im Flugzeug wären ohnehin auch gestorben, wenn man das Flugzeug ins Stadion stürzen lässt. Man kann ja nicht auf ein Wunder hoffen, dass das nicht passiert, wenn man nichts unternimmt. Und die Abfangjäger gibt es genau für solche Situationen. Ich finde das Argument richtig, dass dann Terroristen nicht mehr befürchten müssten, an ihrer Tat gehindert zu werden, wenn die Eurofighter nicht eingreifen dürfen. Ich finde, die Führungskräfte haben sich vor einer Entscheidung gedrückt und der Pilot war so mutig, sie zu treffen.